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Regionale Lebensmittel auf dem Läuferteller: Ammerländer Schinken

In der zweiten Folge der wenig bekannten regionalen Spezialitäten wird diesmal Schinken aus dem niedersächsischen Ammerland vorgestellt, einer Region in der Nähe von Oldenburg. Sportlerinnen und Sportler, die Fleisch und Wurstwaren essen, haben oft Schwierigkeiten, etwas wirklich Sportgerechtes zu finden. Magerer Schinken scheint ideal zu sein und wird in der Sporternährungsliteratur häufig empfohlen, doch im Supermarkt begegnen wir meist nur dem nitritpökelsalzhaligen Kochschinken oder dem industriell gefertigten Formfleisch(vorder)schinken. Nitritpökelsalz ist ein Lebensmittelzusatzstoff, der einerseits schädliche Mikroorganismen bekämpft, anderseits aber in hohen Dosen schädlich wirken kann (siehe Lesetipp). Über die Produktion von Formfleisch und Schinkenimitaten finden sich im Internet zahlreiche und alles andere als leckere Berichte. Schinken kauft man also besser am Stück, qualitativ hochwertig, aus regionaler Herstellung und möglichst ohne Nitritpökelsalz.

Bei Ammerländer Schinken sowie Ammerländer Dielenrauchschinken und Ammerländer Katenschinken handelt es sich um geschützte geographische Angaben, d.h. Verbraucher können sicher sein, dass der Schinken auch von dort stammt. Der Schinken am Knochen wird dabei nicht mit Nitritsalz gepökelt, sondern mit Meersalz. Die Feinheiten von Salzung und Reifung im Salzkeller sind ebenso geheim wie die Mischung der Gewürze beim anschließenden Kalträuchern. Ein wichtiger Unterschied z.B. zum Schwarzwälder Schinken ist das Kalträuchern über Buchenholz (bei Schwarzwälder Schinken ist es Tannen- und Fichtenholz).

Das Räuchern erfolgte früher in einer sog. Räucherkate (Plattdeutsch Rookhus) und zwar bis zu sechs Monate lang. Meiner Ernährungsberaterkollegin Aenne Rabe, deren Familie früher das Unternehmen Schinken-Diers gehörte, verdanke ich die folgende historische Beschreibung: das Ammerländer Bauernhaus hat ein Reetdach und keinen Schornstein. Die Häuser wurden immer in Ost-West-Ausrichtung gebaut, das halbrunde Eingangtor (Plattdeutsch Groot Dör) zeigte nach Osten. Das 
Herdfeuer brannte den ganzen Tag, darauf wurde in alten Zeiten auch gekocht. Der Rauch dieses Herdfeuers stieg hoch und zog von der Herdstelle durch den Dachboden, Richtung Groot Dör, und dann durch das meistens offenstehende Tor wieder hinaus. Die Bauern, die nur im Winter ihr Vieh schlachteten, hingen die zu räuchernden Schinken zuerst auf den Dachboden und dann immer etwas weiter nach unten, zuletzt unter die Decke. Das Umhängen der Schinken war sehr wichtig, nur so wurden es gute Schinken; es war und ist ein Zusammenspiel von kaltem Rauch, norddeutschem Klima, richtiger 
Salzung und Einwirkung durch die Tiere und Menschen, die in dem Bauerhaus lebten. Wer das Ammerland besucht, kann die traditionelle Räucherkate in Freilichtmuseen erleben (das Foto meiner Ernährungsberaterkollegin Andrea Werth zeigt das Innere eines solchen Museums in Bad Zwischenahn mit Schinken an der Decke).

Heutige Schinkenproduzenten räuchern nach eigener Angabe immer noch mindestens 12 Wochen. Für Läuferinen und Läufer gibt es inzwischen auch einen Leichtschinken ohne Fettrand mit maximal drei Prozent Fett. Kaufen kann man den Schinken natürlich im Ammerland und über Internet.

Dr. phil. Britta Stengl

Lesetipp:
Dietmar Richter: Die toxikologische Bewertung von Nitritpökelsalz in Fleischerzeugnissen. Universität 

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